Architekturkritik 01:

Momentaufnahme im Leutschenpark

Auf den ersten Blick harmoniert der Leutschenpark hervorragend mit seiner Umgebung. Es scheint als hätten die filigranen Gledizien ihr Blättergewand explizit an die Gelb-, Orange-, und Rottöne der umliegenden Fassaden angepasst. Natürlich ist das eine Momentaufnahme an einem sonnigen Herbstnachmittag; die Landschaftsarchitekten von dipol haben die Baumsorte gerade wegen ihrem ausgeprägten saisonalen Verhalten gewählt, und auch die in starken Farben gestrichene Asylsiedlung gegenüber vom Park wird sich aufgrund ihrer schwachen Karten im Monopoly-Spiel der Zürcher Stadtentwicklung kaum halten können. Das ganze Quartier befindet sich in einer Phase des Wandels, verglaste Büros und grosszügige Wohnungen werden gebaut, weniger kapitalintensive Nutzungen müssen weichen.

Der 2009 eingeweihte Park wird natürlich bleiben. Er ist zwar praktisch menschenleer, aber auch das ist nur eine Momentaufnahme. Das Quartier, dessen Zentrum der Leutschenpark sein soll, gibt es ja noch gar nicht. Die Stadt hat den Park in der Absicht gebaut, zukünftige Investoren anzuziehen, und wie der bereits bezogene Leutschentower gegenüber und die vielen Baukräne rund herum zeigen, scheint der Plan aufzugehen.

Er ist auch wirklich gut gemacht, dieser Leutschenpark. Ein mysteriöses Stück Dschungel in der Parkmitte sticht als erstes ins Auge. Die aufragenden dunklen Bäume, eng zusammengepfercht, entwickeln eine wahnsinnige Anziehungskraft, und die Feststellung dass sie nicht zugänglich sind verstärkt nur das Verlangen, die Schutzmauer zu erklimmen. Die ausgeklügelte Betonumrandung ist tatsächlich nicht zu bezwingen, funktioniert aber auch als Sitzbank und bewirkt so, dass sich der erfolglose Kletterer den weiteren Elementen des Parks zuwendet. Eine baumumfasste Wiese beherbergt ein Wasserbecken, eine grosszügige Kiesfläche hat urbanen Platzcharakter, und die Spielplatzecke hat ein Café-Restaurant mit vielen Gartentischen. Es sind drei unterschiedlichen Zonen mit spezifischen Qualitäten, die eine Vielfalt von Nutzungen zulassen und durch eine angenehme Kleinmassstäblichkeit zum verweilen einladen.

Es ist denn auch nicht der gut gelungene Park, der den Kritiker beschäftigen, sondern vielmehr dessen Ränder. Südöstlich bildet die schmale Leutschenbachstrasse nur einen diffusen Abschluss, während die Büros im Westen sich klar vom Park abwenden. Direkt hinter dem Café entstehen derzeit die mit abgehobenem Lifestyle werbenden „Metropolitans“-Wohntürme, und es bleibt abzuwarten wie deren Übergang zum Park gestaltet wird. Es ist aber nicht nur die mangelhafte Anbindung der Nachbargrundstücke die Sorgen bereitet. Schlussendlich wird ein Park danach beurteilt, ob und wie er genutzt wird, und in diesem Fall ist zu befürchten dass die zukünftige Monokultur von teuren Wohnungen mit grosszügigen Loggien den öffentlichen Freiraum eher konkurrieren wird als ihn zu beleben. Sollte der Leutschenpark scheitern wäre die fehlende Durchmischung des Quartiers verantwortlich, nicht die Landschaftsarchitektur.

(Dieser Text ist im Rahmen von Prof. Dr. Laurent Stalders Seminar «Architekturkritik» an der ETH Zürich im Herbstsemester 2013 entstanden)